Argentinien und Chile – Per Anhalter

Es gibt kein schöneres Gefühl als zu einem geliebten Menschen in die Ferne zu reisen und diesen am Flughafen in die Arme zu schließen. Drei Monate war Arved allein unterwegs, aber jetzt komme ich schnurstracks und erwartungsvoll dazu. Es fließen Tränen und ein Lächeln ist von unseren Gesichtern nicht mehr wegzudenken. Endlich kann es gemeinsam weitergehen, in ein erstes Abenteuer zu zweit. Per Anhalter wollen wir Argentinien und Chile erkunden! Im Morgengrauen dieses ersten Wiedersehens erreichen wir unsere Unterkunft für die nächsten paar Tage und genießen die anbrechende Tagesstimmung in Buenos Aires. Die nächsten 3 Tage verbringen wir damit Pläne zu schmieden, Buenos Aires zu erkunden und die gemeinsame Zeit auszukosten.

Bevor wir uns in Richtung Patagonien aufmachen, wollen wir die Iguazu-Wasserfälle im Drei-Länder-Eck Argentinien-Brasilien-Paraguay besichtigen. Neben den unglaublichen Wassermengen der Fälle fließen hier auch der Schweiß und die Glücksgefühle. Ein traumhaftes Panorama mit tropischen Tieren und Urwaldstimmung. Nach ein paar Tagen ist uns dieser Ort allerdings etwas zu touristisch und langweilig und wir fliegen in den Süden. Dort wird es um einiges Kälter sein, aber wir haben natürlich vorgesorgt und die passende Ausrüstung dabei. Ab Rio Grande nehmen wir den nächsten Bus Richtung Ushuaia- dort soll die Reise so richtig beginnen. Doch schon nach einer Nacht im Hostel flüstert uns unser Zelt aus dem Rucksack zu, dass es nun endliche Zeit ist in der Natur zu übernachten. Ein Plätzchen unweit Ushuaias besiedelten Straßen lässt unsere Herzen höherschlagen. Der perfekte Ort für die erste Nacht im Irgendwo. Ein paar Bäume für die Hängematte, ein sich durch die umliegenden Wälder schlängelndes Flüsschen, die uns beherbergende Lichtung und Wildpferde, die uns einen abendlichen Besuch abstatten. Gute Voraussetzungen für den Beginn unseres Abendteuers.

Unserer Route führt uns von Ushuaia durch Patagonien bis nach Porvenir, wo wir dann das erste Mal die Grenze nach Chile übertreten. Von Punta Arenas geht es nach Puerto Natales, wo der Nationalpark ‚Torres des Paine‘ auf uns wartet. Allein auf dieser Strecke lernen wir schon wunderbare Menschen kennen, sind mit dreizehn verschiedenen Mitfahrgelegenheiten unterwegs und zelten wann es uns passt an schönen Orten am Wegesrand. Mehrere Camineros, darunter ein zahnloser und einer mit echt schlechtem Musikgeschmack versüßen uns unsere Reise und bringen uns immer wieder zum lachen. Javier, ein Coca-kauender LKW-Fahrer bringt uns über die Grenze, Manu Chao und Companero (Ja wirklich, er sah aus wie unser geliebter Manu Chao) transportieren nun neben ihren vielen Schafen auch uns ein Stück durch Patagonien und eingewuetscht zwischen Rucksäcken und Werkzeug bringen uns Straßenarbeiter direkt in den Nationalpark. Im Torres del Paine verbringen wir eine Woche, um die Landschaft zu erkunden und bewandern. Es ist eine große Herausforderung für uns beide, denn wir kommen durch die Mückenschwärme, dem vielen Regen und starken Wind an unsere Grenzen. Zum Glück haben wir genug Essen dabei.  Jeden Morgen machen wir uns eine riesen Portion Porridge und tagsüber haben wir ein Stück Schokolade und einen Apfel (Jedenfalls ich, Arveds Schokolade ist schon nach den ersten zwei Tagen weg). Abends gibt es meistens Nudeln mit Knoblauch, Kartoffelbrei oder Reis mit etwas Gemüse. Obwohl wir sehr gerne wandern gehen, sind wir froh über ein wenig Zivilisation als wir wieder am Startpunkt angelangen. Wir haben trotz den Schwierigkeiten und den vielen Überwindungen haben wir wundervolle Orte entdeckt. Neben rieseigen Gletschern wanderten wir durch Wälder, Wiesen und Felder- immer mit atemberaubendem Panorama auf umliegende Berge. Die Natur hat sich in voller Wirklichkeit gezeigt. Es ist ein Erfolgserlebnis diese Tour gemeistert zu haben und am Ende könne wir sogar die ganzen schönen Momente rückblickend genießen und über unsere zwischenzeitlichen schlechten Launen lachen.

Da wir, um uns nicht dumm und dämlich zu schleppen, viele Sachen in einem Hostel in Puerto Natales gelassen hatten, gönnen wir uns noch eine Nacht in diesem und planen die nächsten Ziele. Wir lassen uns am Tag darauf wieder über die Grenze nach Argentinien mitnehmen und treten den Weg nach El Chalten an. El Chalten wird eines unserer Lieblingsziele der Reise bleiben. Wir kommen nicht nur bei tollem Wetter im Dorf an, sondern verbringen vier Tage ohne Regen und nur mit Zierwolken für unsere Fotos in dem Nationalpark. Ein Lokal namens ‚Ché Empanadas‘ suchen wir mehrere Male auf- zum Glück, denn so gute Empanadas finden wir auf der ganzen Tour nicht mehr. In den Bergen El Chaltens kann man gut und einfach wandern gehen und hat die ganze Zeit tolle Panoramas. Übernachten darf man umsonst auf extra für zeltreisende angelegte Flächen mit Plumpsklo.

In den frühen Morgenstunden brechen wir eines Morgens auf, um uns den Sonnenaufgang anzuschauen. Das Panorama könnte nicht umwerfender sein und die Fotos, die wir uns später anschauen, scheinen eher einer Kitschkomödie entsprungen zu sein als dem wahren Leben. Unglaublich. Ein kristallklarer, spiegelglatter Bergsee reflektiert die Umrisse der sich dahinter auftürmenden Bergformationen. Erst noch im Mondlicht bei immer blauer werdendem Himmel, dann bei knallorange aufsteigender Sonne, die die Berge in grelle Farben erleuchtet und zum Schluss bei Sonnenlicht. Der Tag ist angebrochen und wir haben gefühlt Eindrücke für die nächste Ewigkeit gesammelt. Trotz der Kälte sind wir die glücklichsten Menschen. Wir sind in diesem Moment eins mit uns selbst und empfinden unsere Reise und unser Leben und unsere Liebe als wahres Privileg. Was ist es auch anderes? Ein Erlebnis, das für immer in unseren Herzen verankert bleibt und das, egal in welchen Zeiten, einen kleinen Sonnenstrahl in unsere Beziehung bringt. Danke liebes Argentinien für dieses einzigartige Erlebnis. Auch die nächsten Tage auf Wanderschaft sind wundervoll und idyllisch. Nichts wollen wir missen und im Nachhinein sind wir sogar etwas traurig nicht noch mehr Zeit an diesem Ort verbracht zu haben.

Zum ersten Mal auf unserer Reise müssen wir wirklich lange warten bis wir von einem Auto mitgenommen werden. Nicht weil keiner Lust hat uns mitzunehmen, sondern weil es einfach zu wenig Verkehr gibt. Über Tres Lagos und Perito Moreno über die Grenze bei Los Antiguos nach Chile Chico brauchen wir aufgrund des fehlenden Verkehrs viel Zeit. Wir treffen Javier, einen alleinreisenden Tramper, der schon seit 2 Tagen an einer Stelle wartet. Wir schlagen unser nächtliches Lager zusammen mit ihm auf und genießen ein leckeres Essen bund gute Gespräche bei Gitarrenmusik auf seinem Instrument. Am nächsten Tag bekommen wir glücklicherweise schnell eine neue Mitfahrgelegenheit. Ein Pärchen fährt erst an uns vorbei und dreht dann extra nochmal um, um uns 10 Minuten später doch alle drei auf der Ladefläche mitzunehmen. Was für ein Glück, auch wenn es eine kalte und windige Angelegenheit ist ‚atras‘ mitzufahren. Die berühmte Carretera austral in Chile beginnt im Süden bei O’Higgins und lässt uns ihren Charme ab Puerto Guadal spüren. Riesige Seen, Berge und Waldlandschaften prägen das Bild dieser Landschaft. Wir können uns nicht sattsehen an den vielen Farben. Es geht mit ein paar Discomusik liebenden Jungspunden und einem Forstarbeiter nach Villa Cerro Castillo und von dort aus mit einem Lehrer und einem Betonmischer nach Coyhaique.

Jorge sammelt uns zusammen mit seinem Freund Benjamin auf und bietet uns sogleich an, die Nacht auf seinem Hof zu verbringen. Auch wenn es nicht direkt auf dem Weg liegt, schlagen wir dieses Angebot natürlich nicht aus. Er erzählt uns von seiner kleinen Farm mit Pferden und Hunden. Am Abend muss Jorge zu einer Veranstaltung; uns hinterlässt er einen Kilo Fleisch (ob er nicht versteht oder nicht verstehen will, dass ich Vegetarierin bin, wissen wir bis heute nicht), etwas Brot und Salat, damit wir uns ein großes Abendmahl bereiten können. Als der Tag beginnt wecken uns die bellenden Hunde und nach dem Frühstück besichtigen wir das Grundstück von Jorge. Er hat sich das kleine Haus samt Wasserversorgung vom Fluss vor einigen Jahren selber gebaut und hat schon viele weitere Pläne zum Ausbau seines Grundstückes. Neben einem Gemüsebeet gibt es auch einen völlig verwilderten, unerschlossenen Teil, dem Jorges nächstes Projekt gewidmet ist. Einen kleinen Weg über den Berg schaffen, um sein Grundstück bis zur anderen Seite überhaupt einmal ganz überqueren zu können. Wir begegnen am Wasser des kleinen Flusses Martin el pescador, einen Eisvogel, der sich auch in direkter Nähe nicht stören lässt und erkunden noch ein bisschen auf eigene Faust die Umgebung. Jorge bietet uns dann auch noch an, uns zum nächsten Ort zu fahren, um eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen und zeigt uns auf dem Weg noch schnell seinen schönen Angelplatz an einem verlassenen See. Danke Jorge, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Wir haben dir immer noch nicht das Foto geschickt. Das werden wir heute mal nachholen. 

Mit dem Minivan werden wir von Puerto Aisén bis zu der nächsten Kreuzung mitgenommen und begleiten dann einen Elektroingenieur auf seiner Heimfahrt. Ein Van, der auch schon andere Anhalter eingesammelt hat, packt uns ein. Wir werden rausgelassen und ein Jeep nimmt uns mit nach Puerto Cisne. Von da aus geht es mit Leuten der Stadtverwaltung weiter und dann mit einem Pärchen aus Santiago de Chile. Mit einem Paar in einem argentinischen Pickup gelangen wir bis zur Sperrung in La Junta. Dort müssen wir erstmal verweilen und vertreiben uns die Zeit damit, auf Entdeckungstour zu gehen. Und siehe da, wir bekommen einen der schönsten Wasserfälle unseres Lebens, der sich in einen türkisblauen Traumsee ergießt, zu Gesicht. Dort verbringen wir ein bisschen Zeit bevor wir von Cesar bis zu seinem rund 160 ha großen Campo mitgenommen werden. Mitten im Nirgendwo. Zum Glück hält eine Familie mit Lastwagen an, die uns auf der Ladefläche verstaut. Sogar als der Lastwagen eine Abbiegung nimmt und wir eigentlich auf neue Autos warten müssten, dürfen wir mit dem Familienauto (Das Kind war mit Oma und Opa unterwegs und wird von Mama und Papa an der Kreuzung abgeholt) weiterfahren, bis wir zu deren Farm gelangen. Das erste Mal wird uns aufgetragen uns doch bitte anzuschnallen, als wir mit einem netten Typen bis nach Chaiten cruzen. Dort angelangt nimmt uns eine Busfahrerin mit, die mit einem lehren Bus auf dem Weg nach Hause zum Mittagessen ist und weiter geht’s mit einer Familie aus Conception. Jetzt geht es auf die Fähre nach Castro, das auf der schönen Halbinsel Chiloe liegt. Ein letztes Mal werden wir per Anhalter nach Tenaún mitgenommen, bevor wir den Rest der Reise mit Bussen bewältigen.

Wir machen uns eine schöne Zeit auf Chiloe und bekommen sogar die Möglichkeit eine etwas außergewöhnliche Reise per Anhalter mitzumachen. Denn wir werden von einem Boot auf eine kleine Abgelegene Insel mitgenommen. Nette Fischer auf dem Weg, den täglichen Fang zu holen. Sehr amüsant. Wir genießen Chiloe mit leckerem Essen und immer in Wassernähe, schlafen auf Campingplätzen oder am Strand und gehen ausgelassen spazieren.

Eine Verabredung mit unserer lieben Freundin veranlasst uns nach Conception weiterzuziehen. Dort wohnt Sabrina seit einem halben Jahr und kann uns die Stadt schnell schmackhaft machen. Wir feiern ausgelassen, schlendern durch die Stadt, besichtigen eine Mine in der Nähe und genießen die Zeit mit vertrauten Gesichtern. Obwohl wir das städtische Flair durchaus genossen haben, freuen wir uns den Bus in Richtung Pichilemu zu nehmen. Ein kleines Dorf am Ozean, dass für seine guten Surfspots bekannt ist und kilometerweite weiße Sandstrände aufweist. Wir sind gleich begeistert und verbringen drei liebevolle Tage in dem Ort. Die Dünen und den Strand erkunden wir zu genüge, machen einen Ein-Tages Surf Kurs und freunden uns mit den Menschen auf dem Campingplatz an. Darunter eine 65 Jahre alte Schulpsychologin, die alleine auf einem Motorrad durch Südamerika reist. Sehr beeindruckend. Wir überlegen sogar ihr das Motorrad danach abzukaufen, um mal eine eigene Tour zu planen. Dazu kommt es jedoch nicht, da Christine immer neue Abenteuer mit der Maschine geplant hat.

Vorletzter Stopp auf unserer Reise ist die von allen umschwärmte Stadt Valparaiso. Eine malerisch gelegene Hafenstadt mit bunten Häusern und jungen Menschen. Eine Woche verbringen wir als AirBnB Gäste in einem schönen Zimmer. Wir wandern durch die hügeligen Straßen, besichtigen Pablo Nerudas Feriendomizil und gehen anderen kulturellen Veranstaltungen nach. Wir entspannen in den Parks, fahren einen Tag an den Strand von Vina del Mar und essen hervorragende Empanadas. An sich eine wundervolle Stadt aber langsam sind wir reif für zu Hause und wissen gar nichts mehr so richtig mit dem Stadtleben anzufangen. So waren wir zwei Monate nur in der Natur unterwegs, bevor wir uns hier in diesem Trubel wieder zurechtfinden würden. Unserer Anpassungsfähigkeit ist in diesen Tagen eher gering. Trotzdem genießen wir die Zeit, bevor es für unsere letzten zwei Tage zu zweit nach Santiago de Chile geht. Noch ein bisschen die griße Stadt erkunden und viel entspannen, bevor ich Arved zur Bushaltestelle bringe. Er fliegt heute nach Peru und von da aus nach Hause. Für mich geht es noch für eine Woche nach Buenos Aires- Couchsurfing bei einem netten Kerl, der auch schon meinen Mitbewohner Max gehostet hat. Wir gehen abends mit seinen Freunden aus. Leider werde ich etwas krank und muss die Tage schonend verbringen. Trotzdem lasse ich mir die Tage nicht verderben und schlendere durch die Straßen, entspanne in den Parks und esse lecker. 350 km südlich von Buenos Aires wohnt ein Kumpel, den ich in Brasilien kennengelernt habe in einer kleinen Stadt namens Tandil. Ich fahre dorthin und verbringe zwei schöne Tage mit ihm, seinen Freunden und seiner Großmutter in dem Haus seiner Eltern. Wir gehen wandern und erkunden die Umgebung. Eine abwechslungsreiche, wundervoll und idyllisch gestaltete Reise geht zu Ende. Wir haben viel Spaß gehabt, haben gute und schlechte Tage überstanden, viele Menschen kennengelernt und mal wieder gemerkt was es heißt auf Reisen zu sein. Wir sind glücklich und verlassen den Kontinent mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn wir freuen uns sehr auf Hamburg und auf unsere Familien.

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