Kolumbien riecht nach Salsa, nach witzigen Menschen, nach Musik und nach Lebensfreude. Darin vermischt sich jedoch ein Geruch von Gewalt und schlimmen Erinnerungen, von Sonntagstrinkern und schmutzigen Landschaften. Gefühle mengen sich ineinander- den einen Tag ist das Land ein Traum, am anderen bleibe ich lieber im Hostel. Aber von vorne, denn insgesamt war ich drei Monate in Kolumbien unterwegs, einen Monat arbeitend in Bogota, die anderen zwei Monate mit meinem Freund auf Motorrädern.
Im Herbst 2018 haben mein Partner und ich uns einen Fiat Ducato gekauft und ausgebaut, um damit durch Europa zu reisen. Zu Anfang Januar hatten wir gekündigt. Trotzdem wir eine Standheizung eingebaut hatten und gut ausgerüstet für den Winter im Van sind, haben wir uns entschlossen die ersten drei Monate in die Wärme zu fliegen. Kolumbien schien uns eine gute Idee und so buchten wir Flüge nach Bogota.
18 Grad und wolkenbehangene Berge begrüßten uns und wechselten sich mit Sonnenschein und heftigen Regenschauern ab. Wir hatten wohl vorher nicht wirklich auf dem Schirm, dass Bogota auf ca. 2600 m Höhe liegt. Ewig in der Stadt zu verweilen war aber sowieso nicht unser Plan, daher konnten wir mit dem Wetter leben. Ein paar Tage wollten wir in der Stadt verbringen, bevor wir uns auf den Weg machen würden. Wie, das wussten wir noch nicht, aber Busse gab es genügend.
Als wir eines morgens zwei Leute aus dem Hostel mit Motorrädern herumfahren sahen, schauten wir uns lächelnd an. Wir entschieden uns kurzentschlossen eine drei-monatige Motorradtour in Erwägung zu ziehen. Obwohl ich noch nie Motorrad gefahren bin, fühlten wir uns beide wohl bei dem Gedanken. Ein Führerschein ist in Kolumbien nicht notwendig -jedenfalls wurde dieser bei keiner Kontrolle verlangt.
Doch sollten wir uns gebrauchte Motorräder oder neue kaufen? Die Frage erübrigte sich, als wir durch die Chaos ‚Motorradstraßen‘ Bogotas spazierten. Nachdem wir uns bei einigen Händlern nach Modellen und Preisen informiert hatten, waren wir uns einig, neue Modelle zu kaufen. In Kolumbien gibt es die kolumbianisch/brasilianische Marke AKT, welche Motorräder für einen geringen Preis anbietet. Wir entschieden uns für das Modell AKT NKD 125, zwei kleine Maschinen, die perfekt für mich als Anfänger und trotzdem entspannt für Arved waren.
Zwei Tage verbrachten wir noch bei einem super netten Couchsurfer am Rande Bogotas, bevor wir die Papiere und Motorräder abholen konnten. Dann war es so weit, Dienstagnachmittag, Rush Hour Bogota, und ich ohne Plan vom Fahren. Zum Glück habe ich einen kompetenten Freund, der das Motorradfahren beherrscht. Kurz erklärte er mir, wie alles funktioniert und los ging’s. Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr etwas zum ersten Mal macht und euch denkt ‚das schaff ich doch nie‘. So ging es mir auf jeden Fall, doch nach einigen Versuchen hatte ich es drauf und wir bretterten munter Richtung Norden. Okay, ich geb’s zu, wir schlichen eher..
Zipaquiera war unser erstes Ziel und unsere erste Herausforderung auf einer langen Tour auf zwei Rädern. Über holprige 3500 Meter Pässe, Autobahnen, Landstraßen und Sandwegen zogen sich die nächsten Wochen hin. Entweder schauten wir am Tag vorher schon nach einem Hostel oder wir suchten am Nachmittag eine passende Unterkunft. Es variierte zwischen Hotel, Herberge, Hostel oder Zeltunterkunft. In abgelegenen Orten waren es ziemlich schäbige Unterkünfte, in den Städten meist schicke Hippi-Hostels.
Meistens hatten wir nach 3-4 Stunden On the Road genug. Der Akt des Motorrad Fahrens ist für mich sehr anstrengend. Kurvige Straßen gingen meist auf oder ab, da musste man hinter LKWs herschleichen oder sie mit wenig Power zu überholen versuchen, am Berg anfahren und auf Schlaglöcher aufpassen. Lange Autobahnstrecken waren schlichtweg ermüdend auf Grund von mangelnder Abwechslung. Dafür haben wir wirklich viele verschiedene Ecken Kolumbiens kennenlernen dürfen. Von kleinen Dörfern im Nirgendwo über weite Regionen, wo sonst niemand hinkommt, bis hin zu den größeren Städten. Eine landschaftliche Vielfalt, die ich nicht hätte missen wollen. Somit war es wirklich die beste Entscheidung Motorräder zu kaufen. Eine Herausforderung, die dem ganzen erst einen Reiz gegeben hat.
Wir haben wirklich nette Menschen kennengelernt, haben geschwitzt und gefroren, waren durchnässt und von der Natur beeindruckt. Das hat die ganze Tour auch so besonders gemacht. Abends waren wir meist müde und glücklich. Einen Tag haben wir leider einen versehentlich riesigen Umweg gemacht und waren somit ca. 10 Stunden unterwegs. Ich konnte wirklich nicht mehr, es war einfach zu viel. Abends konnten wir uns nur noch mit Mühe ins nächste Restaurant schleppen und schlangen die Pizza mit einem Hunger hinunter, der für mehrere Personen gereicht hätte.
Unsere Reise führte uns von Bogota Richtung Norden- erstes großes Ziel war die Küste. Den langen (1000km) langen Weg dorthin versüßten wir uns mit Pausen und Übernachtungen in schönen kleinen Dörfern und der heißen Bananenregion (die heutzutage eher aus Palmöl Plantagen bestehen). Im heutzutage ziemlich touristischen Fischerdorf Taganga, verbrachten wir ein paar Tage, bevor Arved dort seinen Tauchkurs begann und ich mich alleine auf ein kleines Abenteuer ins Paradies begab. Ich blieb drei Tag in einem wundervollen, einsamen Zelthostel in der Nähe von Palomino. Tolle Menschen, einsame Stunden und das extrem laute Rauschen des Ozeans dauerhaft im Ohr. Ohne zu untertreiben war dieser Kurzausflug einer der Highlights von Kolumbien. Manchmal ist es gar nicht so verkehrt auf sich alleine gestellt zu sein und die Herausforderungen zu meistern.
Nachdem ich Arved wieder abgeholt hatte, besuchten wir für ein paar Tage den Tairona Nationalpark und ein hübsches Dörfchen namens Minca. Dort konnten wir wandern und uns in der zauberhaften Natur erholen.
Von einem Erlebnis in Santa Marta möchte ich noch erzählen. Die vorherigen 1000 km hatten wir trotz vieler Polizeikontrollen überhaupt keine Probleme mit der Polizei. Doch an diesem Tag Richtung Cartagena hielten uns zwei Motorradpolizisten an und verlangten unser Handgepäck zu durchsuchen. Ich schätze, sie waren auf der Suche nach Drogen, fanden dabei mein Schweizer Taschenmesser. Eine halbe Stunde versuchten sie uns weis zu machen, dass es verboten sei Messer auf offener Straße mit herumzutragen. Ich fragte was ist, wenn man sich ein neues Messer für zu Hause kaufen möchte oder für die Arbeit eine Machete braucht (sehr viele Leute liefen mit Macheten rum)? Das war allerdings alles ‚etwas anderes‘. Letztendlich bestanden wir weiterhin darauf mit aufs Revier zu kommen. Sie versuchten noch, wenigstens ein bisschen Geld abzuzocken, aber letztendlich ließen sie uns gehen. Später erfuhren wir, dass wohl schon viele Reisende Probleme mit der Polizei in Santa Marta hatten.
Es ging also weiter durch salzige und sehr vermüllte Küstenstraßen Richtung Cartagena, ein kleines Städtchen, was mit seinem urigen Charme zu ein paar Tagen Sightseeing und Stadtgetümmel verführte. Dann reichte es uns aber auch schon wieder und wir fuhren weiter gen Tolú.
Die schlimmste Strecke auf der ganzen Tour war definitiv dieser Tag, denn ich war krank. Fieber, Kopfschmerzen, alles was man sich vorstellen kann. Es war heiß. Es war sonnig. Es war ein langer Weg auf schlechten Straßen. Es gab sehr viele Straßensperrungen mit Wartezeit. Dehydriert und nicht mehr ganz zurechnungsfähig gelangen wir endlich ins Hostel, wo ich mich bis zum Ende des nächsten Tages schlafend und ruhend im Zimmer verkroch. Dann war alles wieder gut. Zum Glück, denn wir hatten Lust uns Richtung Medellin auf den Weg zu machen.
Mehrere Tage und ein paar 100 km später erreichten wir die Stadt, von der wir so viele gute Sachen gehört hatten. Wir genossen die Menschenmengen allerdings nur ein paar Tage. Von Medellin fuhren wir weiter gen Süde. Nächstes Hauptziel ein kleines Dörfchen namens Salento in der Kaffeeregion von Kolumbien.
Auch ein absoluter Lieblingsplatz auf der ganzen Reise. Wir waren in der Nähe in einem kleinen alternativen Hostel, dass ein Kanadier betreibt. Musikabende am Feuer, entspannte und nette Menschen und eine totale Idylle machten diese Unterkunft zu einem Highlight. Hinzu kam natürlich die legendäre Mehrtageswanderung, die wir in der Region auf die ‚Los Nevados‘ unternahmen. Unglaublich anstrengend (allein der erste Tag zog sich mit 1700 hm und 20 km ganz schön in die Länge), doch definitiv ein wundersames Erlebnis. In den Hütten auf dem Berg wurden uns über dem Feuer kolumbianisches Essen serviert, das Leben auf der Alm konnte richtig mitverfolgt werden und die Natur während des Wanderns war unglaublich vielfältig und schön.
Ein kleines Missgeschick, was ich angesichts der tollen Wanderung schon fast wieder vergessen habe, war mein Sturz ganz oben. Ich habe mir mal wieder den Fuß umgeknickt, und das zu dem ungünstigsten Zeitpunkt, den man sich nur vorstellen kann. Auf 4000 Meter Höhe mit über 30 km Fußmarsch vor uns… Glücklicherweise hat uns der Hüttenwird gut verpflegt und mir ratsame Tipps gegeben. Mit einem von Arved gefällten Stock in meiner Hand machten wir uns also auf den Weg. Und siehe da, zwei Tage später waren wir unten- ohne die Hilfe der Pferde in Anspruch genommen haben zu müssen.
Ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Salento bot außerdem eine nette Innenstadt und das beste Restaurant, in dem wir auf der Reise gespeist haben. Ich gebe zu, dass wir das ‚BRUNCH‘ viermal besucht haben. Es gab einfach so viel leckere Auswahl und unglaublich gute Nachtisch-Peanut-Butter-Brownies. Da kann ich nicht widerstehen.
Irgendwie hatten wir nach diesen 1,5 Monate doch langsam genug vom dauernden Motorrad fahren und unterwegs sein. So beschlossen wir auf eine Farm arbeiten zu gehen. Wir verbrachten zwei Wochen auf der naturnahnen, idyllischen Permakultur Farm bei Guatapé. Dort schufteten wir wirklich hart. Zäune bauen, Gärten umpflügen und Steine und Stöcke schleppen. Dafür genossen wir drei leckere Mahlzeiten mit eigens angebautem Gemüse, hatten witzige Gesellschaft von dem Besitzer Pierre, seiner Assistentin auf Zeit Anju aus Kanada und einer anderen Volontärin, Andrea, aus Argentinien und machten eine Handy Diät, da es kein Internet gab. Wir schauten uns natürlich auch das nette Dörfchen Guatape an und verbrachten nicht zuletzt wegen der Internetverbindung ein paar Limonada de Coco schlürfende Nachmittage im Café.
Denn, nach langem Hin- und Her, beschloss Arved, seinen Flug umzubuchen und schon frühzeitig nach Hause zu fliegen. Das hieß für mich, noch alleine in Kolumbien zu bleiben. Ich beschloss den verbleibenden Monat in einem Hostel arbeitend in Bogota zu verbringen. Das war die perfekte Entscheidung. Ich lernte tolle Leute kennen, konnte viele Meet Ups besuchen und verbrachte viel Zeit mit Wandern, Online-Kurse machen und malen. Die Arbeit, da sie sehr einfach war, lief einfach so nebenher. Ein Wochenende verbrachte ich mit Camilo, seiner Familie und einer Freundin in der Wüste nähe Neiva 5 Stunden südlich von Bogota. Atemberaubend schön und erfahrungsreich, weil wir mit bei seinen Großeltern übernachten durften. Das wahre kolumbianische Leben also.
Camilo lud mich auch an einem anderen Wochenende zu einer kleinen Grillparty ein. Dort wurde Salsa und Meringue schon getanzt, bevor es überhaupt Richtung Club ging. Alle haben mitgemacht, jeder mit jedem getanzt und alle zusammen gelacht und gegessen. Am letzten Wochenende ging ich mit Laurene aus Frankreich in der Nähe von Bogota klettern, bevor es am übernächsten Tag zurück nach Deutschland gehen sollte.
Mein Fazit der Reise: Vielfältig, schön und erlebnisreich. Im Nachhinein muss ich sagen, dass mir die drei Monate gereicht haben. Wir haben wundervolle Tage gehabt, doch freuten wir uns auch dauerhaft auf die weiterführende Reise mit dem Van. Dadurch, dass wir den Ducato schon vorher ausgebaut hatten, aber erst einmal vorher damit unterwegs waren, juckte uns die Möglichkeit Europa damit zu erkunden die ganze Zeit in den Fingern. Das schönste am Zurückkommen war das frisch geborene zweite Kind meiner lieben Svea begrüßen zu dürfen, bevor wir die Reise Richtung Westen fortsetzten.